Erwähnungen von Fouriers Freier Liebe und erinnernswerten Werken anderer Freigeister gehören zu den – wenn auch nur zitierten – Schätzen des Buches. Auch Reminizenzen an frühe deutsche Freikörperkultur und ironische Schilderungen vielfältigster Lebenskulturentwürfe zählen zu den Stärken. Achtenswert ist der Blick auf menschenverachtende Missionare. Der von Spiegel-Autor Diez attestierte Rassismus erscheint vor dem Hintergrund von Krachts Korrespondenz mit Woodard (laut Diez „offen für rechtsradikale Gedanken“) verständlich, trotzdem wirken die angeführten Belege aus dem Roman überinterpretiert. Offensichtlich jedoch ist manieriert übertünchte, unreflektierte Kleingeistigkeit, die sich hinter Ironie versteckt. Kracht lässt den Protagonisten Antisemit werden und der Erzähler bezeichnet Hitler als Romantiker – derart primitive Einfalt nervt und Vermutungen bezüglich Gesinnung und Provokation aus banalem pekuniären Interesse liegen auf der Hand. Einsichten, die etwa Céline in „Reise ans Ende der Nacht“ gelangen, kommt Kracht nicht nahe, dafür ist er zu angepasst und oberflächlich, will zu sehr gefallen. Sein anfänglicher Mut scheint unter der zu schweren geistigen Last zusammenzubrechen, der zunächst noch vermutete große Bogen höherer Erkenntnis bleibt aus. Wirr zusammengewürfelt fällt die Geschichte dann auseinander, erzähltechnische Ungeschicklichkeiten verärgern, so dass das Gesamterlebnis trotz Wortgewandheit und -witz unbefriedigend bleibt.
Die Literaturkritikerin Iris Radisch äußerte sich bezüglich Christian Krachts „Imperium“ zu Adolf Hitler, den sie als „Heilsapostel“ bezeichnet und in „einer Linie“ mit „Lebensreformern“ sieht. Naturliebhaber und Kritiker von Materialismus, Urbanisierung und Entmenschlichung ernsthaft (nicht ironisch wie Kracht) in einen Topf mit einem Massen-mordenden Nazi-Diktator zu werfen, enthüllt dumpfe Undifferenziertheit und ein Übelkeit erregendes Weltbild. Die ausbleibende Empörung offenbart Hirntod und zombiehafte Dumpfbackigkeit des Kulturklüngels.
Unterhaltungsprosa von Tino Hanekamp (Jg. ´79). Schwer gehypter Debütroman über einen Clubbesitzer, angelehnt an die Biografie des Autors. Es gibt schlechtere noch nichtssagendere Popliteratur, aber man muss Hanekamp zugute halten, dass ab und zu Edelmetall durchschimmert. Gold nicht, aber Ansätze zu Erkenntnissen. Wenn auch mit spießigen Hohlheiten gespickt, liest sich das Buch insgesamt süffig, das Ende ist eine kalkulierte Unverschämtheit. Kann man machen.
Gähnende Leere.
Bieder anbiedernd. Nichts weltbewegendes.
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Rangliste deutschsprachiger Intellektueller
laut „Cicero. Magazin für politische Kultur“ (Printpublikation der Ringier AG)
1. Joseph Ratzinger
2. Martin Walser
3. Günter Grass
4. Harald Schmidt
5. Marcel Reich-Ranicki
6. Peter Handke
7. Elfriede Jelinek
8. Elke Heidenreich
9. Alice Schwarzer
10. Jürgen Habermas
An erster Stelle wird ein Mann als Intellektueller tituliert, der Wissen, Kritik und vernünftiges Denken durch Dogmen eines unbegründbaren Glaubens ersetzt und als Funktionär seiner Machtposition, gegen den logischen Verstand einen sinnlosen Krieg führend, für einige der großen Probleme der Menschheit, die durch aktive Verhinderung intellektuellen Denkens erst verursacht wurden, verantwortlich, bzw. weil per definitionem jenseits des Intellekts, fahrlässig mitverantwortlich ist. Dass das Kondomverbot für Aidsinfizierte nicht als Anstiftung zum millionenfachen Totschlag vor dem internationalen Gerichtshof verhandelt wird, offenbart die Macht der Organsiation, nicht aber die vorausschauende Fähigkeit zu Denkprozessen, die zu weltverbessernder Erkenntnis führen könnten. Da das Ranking, mittels eines dubiosen Verfahrens, aufgrund der aktuellen Medienpräsenz in der Boulevardpresse erstellt wurde, können Gelistete davon ausgehen, dass sie reaktionären Medienkonzernen momentan genehm sind, als angepasste Wiederkäuer vorgefertigter Meinungen und ablenkende Verpackungskünstler des Banalen. Der sinnentleerende Missbrauch der Wortes Intellektueller ist ein Trend, der dem schwer angeschlagenen deutschen Intelligenzniveau großen Schaden zufügt. Die Folgen sind absehbar.
Die Frage aber bleibt: (und das dümmliche Ranking wäre keines Wortes wert, wenn es nicht, vielfach zitiert, Googles Einfluss verdeutlichen würde – andere Suchmaschinen wie Metacrawler fördern weniger Tendenziöses zutage) Wer repräsentiert gegenwärtig (ernsthaft) kritischen Intellekt in Deutschland?
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